Roter Mohn
Eine Zumutung, wie er da in seiner aufdringlichen Zartheit lodert. Unverschämt schön. Unmöglich ihn zu übersehen. Die Abendsonne selbst habe ihre Röte von ihm abgeschaut, behauptet er. Es ist ihm alles zuzutrauen. Während die durch Zucht geadelten Rosen melodramatisch in ihrer Morbidität miteinander wetteifern und um Rankhilfen betteln um dann doch nach dem Gewitterregen die Köpfe hängen zu lassen, klatscht er in die scharlachnen Blütenblätter und feiert den Mohnment.
Majestät Mohn im edelknitternden Umhang wiegt sich windselig in seinem Sommerfreudentaumel bei jedem Wetter. Man kann ihn sogar hören: Er pfeift mit vollen roten Lippen aufs Welken. Die einzige Blume, die nicht verblüht und doch fruchtet. Oder hat Dir der Wind je ein Mohnblütenblatt vor die Füße geweht? Ohne viel Tamtam schwillt die Samenkapsel an, die Blätter verglühen unbemerkt mit dem Abendrot. Der Mohn ist keine Blume, er ist ein Ja zur Vergänglichkeit.